Verfasser: Dr. Richard Bäk
Vorkommen: Kristallin der Koralpe
Fundort: EKT Paierdorf
Vor dem Haupteingang zum Kulturstadl befindet sich ein Felsblock, der aus dem Erkundungstunnel Paierdorf stammt, der ursprünglich bei der Infobox der Koralmbahn ausgestellt war und in der Folge von der Bauleitung der ÖBB Infrastruktur AG dem Kulturverein Maria Rojach übergeben wurde. Es handelt sich dabei um einen Granat führenden dunkelgrünen Amphibolit mit heller Pegmatoidlage (Abb. 1).
Abb. 1: Granat führender Amphibolit (linke Bildhälfte, Minerale: Hornblende, Biotit, Granat und Feldspat) und Pegmatitlage (rechte Bildhälfte, Minerale: Quarz, Feldspat und Hellglimmmer) mit dunklen Amphibolitschlieren.
Der EKT Paierdorf wurde ausgehend vom Schacht Paierdorf aufgefahren. Der EKT durchörterte bis zur Lavanttaler Störung jungtertäre Schichten, nach der Lavanttaler Störung Gesteine des Kristallin der Koralpe, das zum überwiegenden Teil aus Glimmerschiefer und Schiefergneisen besteht, in denen Amphibolite, Eklogitamphibolite, Pegmatoide und Pegmatite, Quarzgänge und Marmore eingelagert sind.
Die geologischen Verhältnisse im EKT Paierdorf wurden vom Zivilingenieurbüro 3 G Gruppe Geotechnik Graz ZT GmbH im Auftrag der ÖBB Infrastruktur AG dokumentiert: Ab der Lavanttaler Störung wurden tektonisch überprägte Schiefergneise bis Glimmerschiefer mit Übergängen zu Biotitgneis und Eklogitamphibolit in den Zerrüttungsbereichen angetroffen (Abb.2). Die Pegmatoide treten nur lokal als Scherkörper auf und sind in den tektonisch überprägten Schiefergneisen bis Glimmerschiefer bzw. Übergängen zu Biotitgneisen und Eklogitamphiboliten zu finden (Stat. 940 – 960, 965 -982).
Abb.2 : Aussschnitt aus dem Stollenband des EKT Paierdorf, ca. Stat. 930 – 990
Eine weitere Amphibolit- bis Hornblendegneisfolge wurde zwischen Stat. 3350 – 3480 in Wechsellagerung mit Glimmerschiefern und Schiefergneisen angetroffen, in denen schmale Bänder bzw. Knauern aus Quarz und Feldspat („Pegmatoide“) eingelagert sind (Abb.3).
Abb.3: Aussschnitt aus dem Stollenband des EKT Paierdorf, ca. Stat. 3300 – 3500 (Legende: siehe Abb.2)
Die genaue Lage des Fundortes des Amphibolitblockes mit Pegmatoid im EKT Paierdorf ist leider nicht bekannt. Auf Grund der Struktur des Amphibolits ist zu vermuten, dass der Block aus dem Stollenbereich zwischen Station 3300 – 3500 stammen könnte (Abb.4).
Abb. 4: Aufnahme von Ortsbrust bei Stat. 3479
Dankesworte
Da über den Fundort des Felsblockes nichts bekannt war, wurde vom Verfasser der Beschreibung mit der Bauleitung der ÖBB-Infrastruktur AG Kontakt aufgenommen. Herr Kiesling konnte bestätigen, dass der Block aus dem EKT Paierdorf stammt, konnte aber keine nähere Angabe zum Fundort im Stollen machen. Deshalb wurde mit dem Zivilingenieurbüro 3G Gruppe Geotechnik Graz ZT GmbH, das mit der Dokumentation der geologischen Verhältnisse beauftragt war, Kontakt aufgenommen. Freundlicherweise wurden mit Zustimmung des Bauherrn Ausschnitte aus der Dokumentation zur Verfügung gestellt. Für dieses Entgegenkommen bedankt sich der Kulturverein Maria Rojach bei allen für die Unterstützung.
Im kleinen Saal des Kulturstadls im Erdgeschoß hängt auf der linken Seite ein altes Holzkreuz, das eine interessante Herkunft hat. Das nicht zu übersehende Wohnhaus an der Hauptstraße in Maria Rojach mit der Hausnummer 4 war ein stattlicher Bauernhof, der zugleich auch als bekannter Gasthof diente.
Er trug den Vulgarnamen „Hollauf“. Auf der Innenseite befinden sich heute noch ein offener Laubengang im Erdgeschoß und verglaste Arkaden im ersten Stock, die einzigen in Maria Rojach.
Zwei große Torbögen im Osten und im Westen luden in den Innenhof ein, der von großen Kastanienbäumen beschattet wurde. Dieser Innenhof wurde umrahmt von zwei gemauerten Wirtschaftsgebäuden im Westen und im Norden, ostseitig – entlang des Weges nach Untereberndorf – stand eine lange hölzerne Kegelbahn und Wagenhütte. Am Ende der Wagenhütte Richtung Unterberndorf war an der Außenwand erhöht das Holzkreuz befestigt, das durch einen Holzrahmen geschützt war.
Das große Wohngebäude wurde wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts scheint die Familie Umschaden als Besitzer auf. Als Josef Umschaden 1909 starb, heiratete die Witwe Maria 1913 Johann Fasching. Als sie 1938 starb, erbten die Kinder aus der ersten Ehe. Sohn Josef Umschaden verpachtete den Hof an Ferdinand Graßlober, der aber bereits 1958 tödlich verunglückte.
Gasthof Hollauf 1940
Flugaufnahme von etwa 1980
Danach kaufte Familie Kranewitter den Besitz. Andreas Kranewitter wanderte aber 1983 nach Bolivien aus.Er verkaufte den Besitz an eine Salzburger Wohnbau – Firma. Nach Plänen von Architekt Josef Klingbacher erfolgte ein totaler Umbau zu einem reinen Wohnhaus.
Hollauf Haus vor der Renovierung
1993 wurden die Hofgebäude abgetragen und das Haupthaus bis 1995 entkernt und saniert, dabei konnte Dr. Clemens Weber das Kreuz in letzter Minute retten und aufbewahren. Nach einer Idee von Manfred Probst wurde es im unteren Saal des Kulturstadls angebracht, um so die kirchliche Verbundenheit mit der Pfarre Maria Rojach zu unterstreichen. Dr. Clemens Weber
Hollauf nach der Sanierung 2022
Jeder Besucher von Maria Rojach ist beeindruckt, wenn er am Ortseingang das einheitliche Ensemble von Pfarrkirche, Pfarrhof und Pfarrstadel erblickt, das vom Zaun mit seinen wuchtigen Säulen wie ein Gemälde eingerahmt wird.
Während die spätgotische Kirche aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammt, wurde der barocke Bau des Pfarrhofs 1667 abgeschlossen. Wann genau der Pfarrstadel errichtet wurde, wissen wir nicht. Zweifelsohne hat es aber immer ein Stallgebäude gegeben, denn schon 1619 heißt es in einem Bericht: „Der Pfarrhoff ist ein Pauerngutt“. Der Stall für die 50 Kühe wurde damals für 80 Gulden neu gebaut.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es verschiedene Pläne, den Stall teilweise zu renovieren, diese Absichten wurden aber nicht verwirklicht. Am 16. 11. 1902 brannte der Pfarrhofstadel ab, die gerade gegründete Freiwillige Feuerwehr Maria Rojach konnte ein Übergreifen der Flammen auf die angrenzenden Gebäude verhindern.
Der heutige Bau mit der gewölbten Decke im Erdgeschoß, der eindrucksvollen Ziegelarchitektur der Fenster und der gekonnten Holzkonstruktion des Daches musste danach von Grund auf erneuert werden.
1904 war der Stadel fertig und sogar mit einer Wasserleitung versehen. Bis Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde der Bau landwirtschaftlich genutzt. Danach stand er zum Großteil leer und diente als Garage.
Seit einiger Zeit stellte sich in Maria Rojach immer wieder die Frage nach einem großen Saal für kulturelle Zwecke. Das dafür in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts errichtete „Dorfheim“ erfüllte diese Aufgabe nur mehr unzureichend. In dieser Situation fanden sich Rojacherinnen und Rojacher zusammen, um Ideen zu sammeln. Manfred Probst, Ing. Siegfried Juri und HS-Dir. Erwin Raffer entwickelten dabei seit rund sechs Jahren die „Vision“ eines neuen Kulturzentrums im Pfarrstadel.
Die gute Bausubstanz sowie die nötigen Parkplätze gleich daneben beim Friedhof sprachen dafür. Pfarrer GR Mag. Helmut Mosser als Anrainer war bald gewonnen, da auch die Pfarre dringend einen größeren Saal benötigte.
Konkreter wurde das Projekt, als Architekt Mag. Josef Klingbacher erste Ideen entwickelte und sich Bernhard Morianz spontan bereit erklärte, eine moderne Pelletsheizung zu sponsern.
Der entscheidende Durchbruch gelang im vergangenen Jahr, als die Finanzierung durch eine Drittel-Lösung (Land – Gemeinde – Diözese) gesichert werden konnte, wozu auch das Wohlwollen von Bgm. Abg z. NR Peter Stauber entscheidend beitrug.
Der renovierte „Kulturstadl“ ist ein nachahmenswertes Beispiel dafür, was erreicht werden kann, wenn das allgemeine Interesse vor Parteistandpunkte gestellt wird!
Die Verwaltung und das Management des Kulturstadels liegen in den Händen des dafür gegründeten „Kulturvereins Maria Rojach“, in dem wichtige Kulturträger des Ortes vertreten sind. Obmann ist Insp. Manfred Probst, Obmann-Stellvertreterin VS-Direktorin in Ruhe Roswitha Schafranek. Es wird an den Menschen liegen, dieses Gebäude mit Leben in vielfältigsten Formen zu erfüllen!
Text: Dr. Clemens Weber
Die Koralmabrutschung am 7. 9. 1916 | Bericht von R. Bäk
Rekonstruktion des Ereignisses R. Bäk, Sept. 2016.pdf
Die Koralmabrutschung am 7. 9. 1916 | Bericht von Dr. Clemens Weber
Vorwort: Es ist der Theatergruppe unter maßgeblicher Initiative von Günther Stippich zu danken, dass dieses Projekt über ein fast vergessenes, tragisches Kapitel in der Geschichte Maria Rojachs initiiert und durchgeführt wurde.
1) Einleitung:
19 Tote, darunter 12 Kinder, mehrere Schwerverletzte nach einer gewaltigen Mure – von den wahren Dimensionen hat Koll. Bäk schon berichtet – das wäre heute eine Schlagzeile auf allen Titelseiten der Zeitungen! Und damals?
Im „Neuen Wiener Journal“ erschien am 14. September 1916 auf Seite 10 folgende Meldung, wobei man sich auf ein Privattelegramm berief:
Titel: „Erdstöße in Steiermark“ – Untertitel: „13 Personen getötet – 21 Personen vermißt“. Der Text lautet:
„In der Ortschaft Ober-Pichling am Fuße der Koralpe sind in der Nacht auf den 7. d. M. mehrere Personen durch Einsturz von Gebäuden tödlich verunglückt. 21 Personen werden vermißt, sie wurden größtenteils im Schlafe vom Verhängnis ereilt. 13 Leichen sind geborgen. Man vermutet, daß das Unglück durch heftige Erdstöße hervorgerufen wurde, die in der verhängnisvollen Nacht in der Umgebung wahrgenommen wurden.“
Ähnliche oder gleichlautende Berichte finden sich in vielen Tageszeitungen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, manchmal ist der Ort in die Obersteiermark verlegt, manchmal wird als Ursache ein Gebäudeeinsturz angeführt.
Wie wir heute wissen, ist an diesen Meldungen mit Ausnahme des Ortes nichts richtig. Warum ist das so? Dazu müssen wir einen Blick in das historische Umfeld dieses Unglücks richten.
2) Das Jahr 1916:
Im Herbst 1916 befinden wir uns mitten im Ersten Weltkrieg (1914-1918). Von der großen Begeisterung im Herbst 1914 ist nichts mehr zu spüren. Der erhoffte schnelle Sieg ist ausgeblieben. In der Schlacht um Verdun, der das Jahr im Westen prägt, fallen 600.00 Soldaten auf beiden Seiten, ohne dass es einen nennenswerten Geländegewinn gäbe. Im Osten kämpfen die Österreicher ohne Erfolg gegen die Russen in Galizien, kleine Erfolge gibt es im Krieg gegen Rumänien. In der 6. Isonzoschlacht erobern die Italiener Görz, in der 7. bis 9. verbluten die Soldaten ohne Geländegewinne. Diese Schlachten, viele Auszeichnungen und die große Zahl von Gefallenen dominieren die Zeitungen. Dazu kommt der beginnende Mangel an Lebensmitteln, vor allem in den Städten. Nur die rigorose Zensur aller Medien verhinderte ein Kippen der Stimmung in der Bevölkerung. Das ist auch der Grund, warum über die Katastrophe von Oberpichling nichts bzw. einheitlich falsch berichtet wurde, obwohl die vorangehenden, lang anhaltenden Regenfälle mit Überschwemmungen sehr wohl ein Thema war. Dominierend war aber die Kriegsberichterstattung!
3) Lokale Berichterstattung:
Im Lavanttal gab es damals schon die „Unterkärntner Nachrichten“, die am 16. und 20. 9. Folgendes berichteten – nämlich nichts! Der Bericht wurde zensuriert. Erst am 29. 9. wurde kurz über das Unglück berichtet. Auch das „Kärntner Tagblatt“, in Kärnten weit verbreitet, brachte nur eine kurze Notizam 12. September 1916.
4) Quellen:
Welche zeitgenössischen Quellen gibt es also? Die Suche danach hat sich durchaus schwierig gestaltet. Der Unglücksort Oberpichling gehörte zur Gemeinde St. Georgen, wo aus dieser Zeit keine Unterlagen vorhanden sind. Unterlagen fehlen auch von der ehemaligen Gmeinde Lindhof. Ebenso sind fast alle Akten der BH. Wolfsberg verlorengegangen. So stütze ich mich im Wesentlichen auf folgende zeitgenössische Aufzeichnungen:
Keine Hinweise finden sich in der Schulchronik, obwohl schulpflichtige Kinder unter den Toten sind!
5) Der 7. September 1916:
Nach tagelangen Regenfällen kam es entlang der Lavant von Frantschach bis Lavamünd zu schweren Überschwemmungen.
Die Niederschläge bewirkten offensichtlich eine Bodenerosion von der Koralm – Schoberstatt – in den Kreuzergraben. Die Krakaberger Almhütte mit 13 Stück Vieh und Hochwaldbestände wurden mitgerissen. Im Kreuzergraben sammelte sich Erdreich und Wasser. Diese Erdlawine, Felsen und Wassermassen fluteten den Frisachgraben und begruben Oberpichling unter sich. In einer Meldung der BH. Wolfsberg nach Klagenfurt an das Präsidium der Landesregierung vom 9. 9. heißt es wörtlich: „6 Gebäude in Oberpichling weggefegt,21 Personen tot und vermurt. 9 Tote geborgen, 4 schwer verletzt und stark verstümmelt.“ Dazu kamen Forstschäden und Schäden an Feldern, die meisten Wege waren zerstört.
Die mündlichen Überlieferungen sind noch dramatischer: Ein dumpfes Grollen war um etwa 6 Uhr früh im mittleren Lavanttal zu hören (Viktor Umschaden; Raffer vulgo Tatzer)), die Geröllmassen lösten ein leichtes „Erdbeben“ aus – so in Zeitungsberichten.
Den genauesten Bericht über das Geschehen stammt von Thomas Glantschnig, Postenkommandant des erst 1914 geschaffenen Gendarmeriepostens Maria Rojach, vom 13. September 1916 an das Landesgendarmeriekommando in Klagenfurt.
Die Vermurungskatastrophe ereignete sich zwischen 5.30 Uhr und 7.00 Uhr in der Früh. Die Menschen wurden schlafend in ihren Häusern überrascht, was auch die vielen Opfer erklärt. Der Gendarmeriebericht spricht von „entsetzlichen Verheerungen“, die die „Erdlawine“ in „Teilen der Ortschaften Krakaberg, Pantnig (sic!), Oberpichling, Paierdorf und Ragglbach (Hart)“ angerichtet habe. Auch die Straßen und Wege wurden unpassierbar. Entsprechend schwierig gestalteten sich die Rettungsmaßnahmen. Zum Verhalten der Zivilbevölkerung heißt es im Bericht:
„Zu den Vorfallenheiten an der Hauptunglücksstelle wird noch gemeldet, daß alle Arbeiten von der hiesigen Postenmannschaft geleitet werden mußten, weil sich mit Ausnahme von einzelnen, wenigen Zivilpersonen, die hiezu meist aufgefordert werden mußten, sonst niemand an der Rettung der schwerverletzten (sic!), der Suche nach Toten und Vermißten und den Abwehrmaßregeln zur Verhüttung (sic!) weiterer Ueberschwemmungsgefahren beteiligt hat. Von den Hilfe leistenden Zivilpersonen hat sich am meisten Pfarrer Albert Müller aus Maria Rojach der Verunglückten insbesondere auch durch Verbinden der Verletzten angenommen.“
Diese Passivität der Betroffenen lässt sich vielleicht damit erklären, dass jeder mit seinen Folgen der Katastrophe zu kämpfen hatte und vor allem die jungen Männer fehlten, die ja weit weg an der Front waren. Sicher standen die Leute unter Schock und es gab damals keine psychologische Betreuung, kein „Kriseninterventionsteam“!
Diese zum Teil sicher chaotischen Verhältnisse zeigten sich auch darin, dass bis zum Abend des 8. Septembers nur neun Tote und zwei Schwerverletzte geborgen werden konnten. Postenkommandant Glantschnig ersuchte deshalb um militärische Unterstützung, die noch am 7. September am Abend mit 20 Mann unter Führung eines Offiziers (Oberleutnants) eintraf. Die Suche dauerte den ganzen 8. September an. (Bericht an das K. u. K. Militärkommando Graz vom 15. September) Durchnässt und ermüdet rückten die Soldaten wieder nach St. Andrä ein. Diese Soldaten halfen am 8. 9. auch eine Verklausung des Kaltenwinkelbaches zu beseitigen, um eine Überschwemmung von Ragglach zu verhindern. Fünf weitere Tote konnten geborgen werden. Zur weiteren Hilfeleistung berichtet Postenkommandant Glantschnig wörtlich:
„Da (…) noch nicht alle Gefahr beseitigt war, forderte ich von der Gemeindevorstehung Lindhof alle verfügbaren und von der Gemeindevorstehung St. Georgen 20 Kriegsgefangene zur Suche nach Leichen und Verrichtung sonstiger Arbeiten.
Der Bürgermeister von Lindhof ging sohin am 8.d.M. mit 60 Kriegsgefangenen an die Unglücksstelle ab und leistete tätige Hilfe; dagegen sandte die Gemeindevorstehung St. Georgen weder die angeforderten Kgf. noch kümmerte sie sich um die Hauptunglücksstelle, trotzdem selbe im Gebiete der Gemeinde St. Georgen lag.
Ebensowenig sorgte die Gemeindevorstehung von St. Georgen für die Begrabung der Toten und Verscharrung der umgekommenen Tiere, so daß auch diese Tätigkeit mit mir der Bürgermeister von Lindhof übernehmen mußte, wobei insbesondere auch Pfarrer Albert Müller unterstützend eingriff.
Die laut zuliegender Liste aufgefundenen und agnoszierten Leichen wurden am 10.d.M. am Friedhofe Maria Rojach in einem gemeinschaftlichen Grabe beerdigt.“
Die gefundenen Toten wurden zuerst beim vulgo Moar (Jakobitsch) in Paierdorf und dann im Pfarrstadel – also hier! – gesammelt und aufgebahrt. Im Memorabilienbuch heißt es dazu:
„… fand am10/9. Nachm.(ittag) 4 Uhr das feierliche Leichenbegängnis statt. Unter gr.(oßem) Andrange von Nah u.(nd) Fern. 8 Priester nahmen daran teil u(nd) die hies.(igen) Vereine mit ihren Fahnen.“
Das „Kärntner Tagblatt“ berichtet am 16. September ausführlich:
„Auf einem großen, von zwei starken Hengsten gezogenen Wagen waren die zwölf, mit Reisiggewinden pietätvoll geschmückten Holzsärge nebeneinandergestellt worden. Dem Leichenwagen schritten voran die Schuljugend mit ihrer Fahne, die Jünglings-Kongregation ebenfalls mit Fahne, der Jungfrauenverein, die Feuerwehr mit Fahne und der Kirchenchor. Den Kondukt leitete Herr Pfarrprovisor Albert Müller unter Assistenz zweier Priester. Männer und Frauen aus der ganzen Gegend bildeten den Abschluß des schier endlosen traurigen Zuges. Nach der Einsegnung im Friedhofe hielt der Herr Pfarrprovisor Müller den Verunglückten eine Grabrede, bei der wohl kaum ein Auge trocken blieb. Ergreifend trug der Kirchenchor den Trauergesang „Bis wir uns einstens wiedersehen“ vor. Herr Pfarrprovisor Müller richtete schließlich herzliche Dankesworte an alle Teilnehmer an der erschütternden Trauerfeier.“
6) Die Folgen:
Von den 19 Toten konnten am 10. 9. nur 14 beerdigt werden, 5 waren noch nicht gefunden worden. Dazu berichtet Glantschnig am 13. 9.:
Die noch als vermißt ausgewiesenen 5 Kinder dürften, aus den mit den übrigen Toten aufgefundenen Körperteilen zu schließen, zum Teile zerrissen, zum Teile tief unter Schutt, Schlamm oder Steinen begraben worden sein“.
Drei Leichen wurden noch am 10. 9. gefunden. Die letzten toten Kinder, Johann Maurer und Theresia Kienzer, wurden erst am 24. September entdeckt, „außerhalb der Ortschaft Paierdorf unter Holzklötzen und Schutt“.
Funde von Körperteilen sind bis heute mündlich überliefert (Maier vulgo Holzbauer in Untereberndorf: Großmutter fand 1916 einen menschlichen Arm).
Die drei Schwerverletzten lagen im Krankenhaus Wolfsberg. Umfangreiche Schäden an Hausmühlen, Gebäuden und Holzbeständen betrafen die Menschen direkt. Das Hochwasser erreichte noch das Bauernhaus vulgo Neubauer (Pongratz) in Untereberndorf und das Haus des Wagners Stippich in Eisdorf. Dazu kamen die umfangreichen Vermurungen der Felder und Geröll mit großen Steinen, deren Beseitigung die Besitzer noch jahrzehntelang beschäftigen sollte. Noch im September ersuchten einzelne Männer um „Enthebung vom Landsturmdienst“, wie es im „Einreichungs-Protokoll für die Gemeinde Lindhof“ heißt. Postenkommandant Glantschnig spricht in seinem Bericht von 60 Hektar Grund, die gänzlich verwüstet seien, während 40 Hektar weniger hart vermurt seien.
Das verheerende Unglück rief auch die Behörden auf Bezirks- und Landesebene auf den Plan. Schon am 12. 9. besuchte der Bezirkshauptmann Freiherr Richard von Ott die Unglücksstelle, am nächsten Tag machte sich auch Landespräsident Dr. Karl Graf Lodron ein Bild vom Unglück. Vom 12. bis 14. Oktober beriet eine Kommission, einberufen vom k.k. Ackerbauministerium in Wien, über Maßnahmen vor allem bezüglich einer Lavantregulierung. Die Katastrophe in Oberpichling wurde nur kurz erwähnt. Konkrete Maßnahmen wurden wegen der Kriegssituation nicht beschlossen. Auch die Lavantregulierung sollte noch lange auf sich warten lassen – sie dauerte von 1934 bis 1986!
Für die betroffenen Überlebenden beschloss die Kärntner Landesregierung am 28. Juli 1917 ein Paket von Notstandskrediten im Ausmaß von 8 000 Kronen, rund 5.500 Euro, die in eher symbolischen Beträgen zwischen 30 und 600 Kronen an 34 Personen ausbezahlt wurden.
7) Die Toten von 1916:
Die Namen der Toten haben Sie auf der soeben enthüllten Gedenktafel lesen können. Ich möchte Ihnen zu diesen Namen noch Informationen liefern, die die persönliche Tragik der einzelnen Familien anschaulicher machen:
Ein Hinweis auf die Armut der betroffenen Familien ist auch die Tatsache, dass sie einen Monat nach dem Begräbnis um Erstattung der Begräbniskosten durch die Gemeinde Lindhof ansuchten, wie im „Einreichungs-Protokoll für die Gemeinde Lindhof“ nachzulesen ist.
Die Ansuchen der Frauen Katharina Kienzer und Eva Sorko führten zu einem Schreiben der BH. Wolfsberg an das Landespräsidium vom 15. 11. 1916, in dem berichtet wurde, dass beide Familien alles verloren hätten. Deshalb erhielten sie eine besondere Notstandsunterstützung von 2.000 Kronen – rund 1370 Euro - (Eva Sorko) und 3.600 Kronen – etwa 2460 Euro - (Katharina Kienzer) mit Erlaß vom 6. 12. 1916 ausbezahlt. Beide waren offensichtlich zwei sehr tatkräftige Mütter!
Von den anderen Familien mit ihren toten Angehörigen erhielten nur drei 1917 einen Anteil an der schon erwähnten Notstandskreditaktion der Kärntner Landesregierung: Gabriel Ronegger erhielt 600 Kronen, Franz Maurer 300 Kronen und Bartlmä Heck 30 Kronen. Nur zur Information: 1917 entsprachen 100 Kronen einem Wert von rund 68 Euro!
8) Der Bergsturz 1660:
Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich noch kurz auf ein ähnliches Ereignis eingehen, das fast 250 Jahre vor „unserer“ Katastrophe stattgefunden hat. Am 7. Juni 1660 wurden große Schuttmassen von der Koralpe durch den Gemmersdorfer Bach zu Tal gefördert und verschütteten Gemmersdorf. Der Kärntner Historiker Walther Fresacher hat darüber 1965 in der historischen Zeitschrift „Carinthia“ berichtet. Die Mure betraf vor allem den großen Besitz des Christian Windpichler, der deshalb bei den Ständen in Klagenfurt um einen Steuernachlass ansuchte. Der lokale Steuereinnehmer Peter Stauber bestätigte die Angaben von Windpichler. Das reichte in Klagenfurt nicht. Deshalb wandte man sich am 13. 12. 1662 an Georg Prödl, den sehr angesehenen Besitzer des Schlosses Farrach, um genauere Erhebungen. Das tat Georg Prödl und fügte sogar eine Zeichnung hinzu. Es ist ein spannender Widerspruch, dass wir von 1660 ein „Bild“ haben, aber von 1916 kein Foto existiert!
Prödl berichtete genau, dass das Haus von Windpichler, sein Stadel und seine Mühle weggerissen worden seien und große Steine die Felder verwüstet und „auf ewig“ unbrauchbar gemacht hätten. Über die Schäden rund um die Kirche schreibt er wörtlich: “Es ist zu sehen, daß der erste Sturmb gemeltes gotshauß St. Lorenzen, die völlige Sagrestey samb Khelch vnd Meßgewändter alles weckh getragen vnd biß an das khürchdach, so in ebigkeit zu sehen wirt sein, auf 10 claffter (etwa 2 m)hoh von Wasser in der ersten von der Coralbm durch den Godinger pach (gemeint: Gemmersdorfer Bach) herauss khumen vnd der Übereillung des so grossen Wasser 29 Perschonen an 4 wägen (Wegen) tater (tot) gefunden vnd bey vnssern gotshaus Royach begraben seindt worden.“
Die Ähnlichkeit mit den Ereignissen von 1916 sind deutlich. Von den verheerenden Folgen der Mure ist heute nichts mehr zu erkennen. Nach diesem genauen Bericht wurde nun dem Bittsteller geglaubt. Die Stände setzten seine Steuern auf die Hälfte herab, damit er seine 7 kleinen Kinder ernähren konnte. Steuerbefreiung gab es schon damals sehr selten!
9) Was erinnert heute daran?
Fleißige Hände haben die Mühlen rasch repariert, die Felder wurden über Jahrzehnte von Steinen und Geröll gesäubert – daran erinnern sich noch viele ältere Menschen. Zwei große Felsen markieren sozusagen Anfang und Ende der Abrutschung. In Oberpichling liegt der Stein mit der Inschrift „Abrutschung von der Schoberstatt Koralpe am 7. Sept. 1916“. Angeregt wurde diese Inschrift vom Lehrer Seebacher. Vor der Kirche steht der Felsen, der heute als Kriegerdenkmal dient. Die Sängerrunde Maria Rojach unter Hans Fasching vulgo Hollauf suchte am 28. Dezember 1922 den Felsen in Oberpichling aus. Dieser Stein wurde mit großen Mühen am Faschingssonntag 1923 – 11. Februar - nach Rojach geschleppt und neben der Volksschule zur Erinnerung an den 1. Weltkrieg aufgestellt. Am 10. Juni 1923 wurde das Kriegerdenkmal mit einem Volksfest eingeweiht. Am 25. Oktober 1974 fand das Denkmal - jetzt für die Gefallenen beider Weltkriege - endgültig seinen würdigen Platz vor der Kirche.
Seit heute erinnert die Gedenktafel an die Katastrophe von 1916, ganz im Sinne des Satzes: „Eine kleine Tafel kann Großes gegen das Vergessen tun“.
10) Nachwort:
Manfred Probst, dem „Vater“ dieses Kulturstadls ist es zu verdanken, dass es vom Postenkommandanten ein Foto gibt, das ihn bei der Glockenabnahme in Maria Rojach zeigt. Wachtmeister Thomas Glantschnig war seit der Gründung des Postens am 1. 3. 1914 bis zum 31. 12. 1932 Postenkommandant. Für sein Engagement beim Unglück 1916 wurde er von Kaiser Karl I. im Juni 1917 mit dem Silbernen Verdienstzeichen am Band der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Manchmal bleibt tatkräftiges Helfen nicht unbedankt!
11) Quellen und Literatur:
Quellen:
Literatur: